Ted und John

Es gibt wenige Bücher, die ich als ‚Must-Read‘ einordne, um so trauriger ist es, daß ich erst durch Netflix und Manhunt – Unabomber auf eine Person aufmerksam wurde, die hier bei uns in Deutschland, abseits von Netflix, vollkommen unbekannt ist. Aber ich glaube, auch die USA hat den UNABOMBER längst vergessen. Es graut mir das jetzt zuzugeben, doch ich bin ’ne ehrliche Haut. Und nur weil mir die Wahrheit nicht passt und mir nicht gefällt, wird daraus keine interessante Geschichte. Nein, ich bin ganz stupide ehrlich. Vielleicht zu ehrlich als manchen recht ist, doch das kümmert recht mich wenig. Ja, es war Netflix. Ja, welche Schande. Aber schon nach den ersten Folgen bestellte ich mir sein Buch, sein Manifest, was damals The Washington Post druckte und durch dessen Veröffentlichung er auch festgenommen werden konnte.

Theodore „Ted“ John Kaczynski

(Quelle: Wikipedia)

Theodore „Ted“ John Kaczynski. Für mich eine der wohl interessanten Personen die diese moderne Welt je hervorgebracht hat. Natürlich, wenn man das Wort – Terrorist – für F.C. benutzt, beschreibt es ihn noch immer am besten. Er war im Endeffekt nichts anderes. Über Jahrzehnte verschickte er seine Briefbomben an Fluggesellschaften, Universitäten und repräsentative Personen. Der größte Fall den das FBI je hatte. Und der teuerste. Aber anders als viele, oder schier alle, und gerade das macht Ted für mich so wahnsinnig interessant: Er kannte keinerlei Kompromisse. Er vertrat nicht nur eine Ideologie hinter der er zu 100% stand, er lebte sie auch zu 100%.

Anders als manch ein moderner Aktivist, der zwar eine für ihn schlüssige Ideologie vertritt, doch einfach nicht in diesem Kontext, konsequent nach seiner Wertvorstellung lebt, da nur eine fette und dekadente Welt seinen ›Aktivismus‹ rechtfertigen kann.


Aber zurück zu Ted: Man stelle sich eine Person vor, ein verwaister Vollbart, zerzauste Haare, trägt manchmal nicht mehr als Lumpen. Lebt in einer kleinen Hütte, mitten im Nichts.  Hat keinen Job und versucht sich als Selbstversorger durchzuschlagen. Er geht jagen und hat einen kleinen Garten. Lebt auf etwa so viel Quadratmeter wie ein typisches Kinderzimmer hat. Dort ist alles. Der Ofen der auch als Küche dient, die Vorräte, einige Bücher und ein karges Bett. Und nun stellt man sich vor, diese Person hat einen IQ von über 160, studierte Mathematik in Havard. Und seine Doktorarbeit war so komplex, daß es in den ganzen USA vielleicht nur 10 Menschen gab, die diese verstanden. 


Die Industrielle Gesellschaft und ihre Zukunft

Sein in die Geschichte eingegangenes ›Manifest‹: »Die Industrielle Gesellschaft und ihre Zukunft« ist ein Buch, das ich jedem ans Herzen lege der sich einmal fragend in dieser höchst nihilistischen und modernen Gesellschaft umgeblickt hat und sich nicht sicher war, was hier eigentlich zum Teufel los ist. Und dieses ganze System einmal hinterfragen möchte. Es ist nicht schwer geschrieben, es ist relativ einfach zu lesen, doch die Gedanken, die Begründungen und die Schlussfolgerungen machte es für mich zu wohl dem interessantesten Buch was ich seit sehr, sehr langer Zeit gelesen habe.

Auch ist das Leben von Kaczynski eine höchst interessante Geschichte. Gerade seine letzten Jahre in Freiheit, das Leben in dieser kleinen Hütte und die ironische Tatsache, daß er jetzt, als verurteilter Straftäter, (in unseren Augen) besser lebt als er selbst jahrelang in der Wildnis Montanas (und er lebte freiwillig so). Es gibt meine Theorie, ich kann sie leider nicht bestätigen, aber ich stelle mir gerne vor, daß seine Zelle in dem Hochsicherheitsgefängnis mehr Quadratmeter hat, als seine Hütte in der er all das schrieb und all seine Bomben baute.

Natürlich vertrete ich nicht all seine Punkte, aber ich verstehe sie. Ich verstehe sie sehr gut. Ich fühle mich den Konzepten verbunden, doch sehe ich mich, so ehrlich muss ich sein, zu sehr gefangen diesem modernen Leben. Auch wenn es anders, vielleicht ›besser‹, oder ›richtiger‹ wäre. Er vertritt bestimmte Punkte, über die Macht der modernen Welt, und da ist mir ein Satz besonders hängen geblieben: »Das Land kann ohne die Stadt, aber die Stadt nicht ohne das Land.« 

Auch hat er bis ins kleinste Detail unsere heutige Zigarettenwerbung vorhergesehen. Es ist ein Buch, was ich jedem, aus tiefster Seele ans Herz legen möchte. Es kostet nicht viel, es ist nicht lang, es ist nicht schwer geschrieben. Aber vielleicht sollten wir uns mal darauf besinnen, was er vor so vielen Jahren schrieb und dennoch, so unglaublich wahr ist. Zum Abschluss ein Gedankenspiel, das Ted mit Sicherheit gefallen würde:

Ein Gedankenspiel

Wir werden nicht gezwungen ein Smartphone zu besitzen. Wir müssen nicht auf Twitter, Facebook und Instagram sein. Niemand zwingt uns Whatsapp oder einen Messenger zu benutzen. Es gibt kein Gesetz, daß uns das vorschreibt. Es gibt keinen rechtlichen Zwang. Doch die Industrielle Gesellschaft baut darauf auf und wir blicken seltsam drein, wenn jemand keins dieser Dinge nutzt. Und fragen uns oft, wie sollen wir mit so jemanden denn in Kontakt bleiben? Wie soll es in dieser heutigen Zeit, funktionieren, wenn man keins jener Medien benutzt? Nochmal: Es gibt keinen Zwang all diese Medien zu nutzen. Wir wählten es frei. Es war einfach. Es war modern. Doch heute kommen wir ohne all das nicht mehr aus. Unsere moderne Welt würde zusammenbrechen, wenn wir dies nicht mehr nutzen könnten. Und das sehen wir in diesen Tagen, mit Corona, wohl noch deutlicher als je zuvor.

Wir erschufen Technologie, die uns das Leben einfacher machen sollte, doch wir sind mittlerweile so abhängig davon, daß von Freiheit keine Rede mehr sein kann.

Denkt mal darüber nach. 

In diesem Sinne,
Euer,
J.

EINE KLEINE, IRONISCHE ANEKDOTE DAZU:
Gerade als ich den Text ausgedruckt hatte und Korrektur las, fand ich mein Handy nicht mehr. Ich verbrachte 15 Minuten damit ein Gerät zu finden, obwohl ich auf nichts wartete. Keine wichtige Mail (die hätte man ja auch am Rechner lesen könnten), keine wichtigen Nachrichten warteten auf mich, auch wenn mein Sozialleben sich eher im Internet abspielt, als im echten Leben. Doch es stellte sich ein Unwohl-Gefühl ein. Dieses kleine Gerät erscheint so wichtig, viel wichtiger als alles andere.
Und damit ist eigentlich alles gesagt.

2 Kommentare zu „Ted und John“

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