Cheers Freunde,
heute mal was ganz anderes. J. und seine Gedichte. Damit meine ich jetzt weniger meine eigenen, als die schier endlose Sammlung in meinem Kopf.
Ich weiß gar nicht wie viele Gedichte ich auswendig in den Windungen und Krümmungen dieses Gehirnes abgespeichert habe. Gedichte, von Liedtexten will ich gar nicht erst anfangen, die Liste wäre endlos. Sobald ein Lied läuft kann ich mitsingen, allerdings nicht aus dem Stegreif, es braucht immer das Lied im Hintergrund.
Aber es geht von Tolkien (natürlich in Englisch), über Shakespeare, Rückert, Eichendorff, natürlich auch good ol‘ Charles, bis hin zu ein paar Strophen des Nibelungenliedes auf Mittelhochdeutsch. Fragt mich nicht warum ich das auf Mittelhochdeutsch kann. Keine Ahnung. Ich hab nicht mal ’ne Ahnung von Ahnung. Wenn ich sage, ich kann besser mit Worten umgehen als mit Menschen, ist das meist einer der Punkte, die ich meine. Wenn ich alle Sprachen zusammennehme und dazu noch die katholisch lateinischen Gebete, komme ich auf fünf Sprachen und ich spreche dabei nur zwei. Eigentlich.
Ich weiß nicht woher das kommt, daß ich mir solche Dinge gut merken kann. Ich konnte es schon immer. Man muss wissen, für lange Zeit war die Romantik mein Leben. Nein, nicht der schicke Italiener mit Kerzen und Dinner und die Traumfrau dir gegenüber. Die Epoche der Romantik. Die Deutsche Affäre, nicht meine. Es war lange, alles was ich hatte. Ich lernte mit 15 ungefähr Eichendorff lieben, lernte seine Gedichte, später kam ich zu den Kindertotenliedern. Welcher nicht mal Sechzigjähriger lernt denn bitte schön die Kindertotenlieder von Friedrich Rückert auswendig?Freiwillig?!
Naja, J. eben. Es gibt da diese witzige Geschichte, die meine Mutter noch immer gerne erzählt. Wir nahmen in der Schule gerade irgendein Buch durch (ich bin mir nicht mehr sicher) und ich passte nicht wirklich auf, da ich was Literatur anging der Klasse etwas voraus war. Darauf meinte mein Deutschlehrer, daß ich bis zum nächsten Tag zwei Gedichte auswendig lernen muss. Ich hätte nicht sagen sollen, daß ich sie auch gleich vortragen kann, denn daraus wurde dann ein Referat bis zum nächsten Tag.
Aber ja, Gedichte und Prosa halfen mir und helfen mir noch immer (auf meine und ihre eigene Art und Weise) durch das Leben. Ich schrieb schon immer, oft genug so schlecht, daß ich es gar nicht erwähnen möchte. Oft genug so teeniehaft depressiv, daß es fast peinlich ist. Aber Gedichte an sich, oder Zitate, Phrasen und leider auch Dinge die Menschen in Gesprächen sagen, brennen sich oft in meinen Kopf ein und zwingen mich manche Momente stets erneut zu erleben als würde es gerade passieren.
Ich sage immer so schön, mein Verstand arbeitet nicht wie die meisten. Ich befasse mich mit acht Dingen gleichzeitig und es kommt nicht selten vor, daß mich das Chaos in meinem Kopf fertig macht und es mich schlicht überfordert. Es ist schwer meinen Gedankengängen zu folgen, ich kann sie manchmal selbst nicht recht nachvollziehen. Und versteht mich nicht falsch, dies ist kein Text, wie toll ich bin, und was ich alles kann. Eher im Gegenteil. Ich wünsche mir manchmal nichts anderes als ein einfaches, simples leben.
Und all den Bullshit in meinem Kopf, der schneller das Thema wechselt als mir lieb ist, einfach vergessen. Aber das geht nicht. Trinken ist oft ein Weg, die tausenden Gedanken in meinem Kopf abzustellen, einen Gang runter zu schalten, ganz zu schweigen von meinen privaten Problemen, die einen großen Teil meines Lebens ausmachen. Ich denke nicht, daß irgendjemand jemals das Chaos in meinem Verstand verstehen wird, ich schaff’s ja nicht mal selbst.
Aber mal wieder, ich schweife ein wenig ab. Kehren wir mal zurück zum Thema.
Viele kennen Gedichte meist nur aus der Schule und die meisten haben sie wohl gehasst. Und ich glaub‘ nur wenige finden es schade, daß sie manch ein Gedicht nicht mehr auswendig können. Vielleicht gibt’s diese Hand voll Leute ja wirklich. Aber, es ist eine schöne Sache, weniger für die Gesellschaft, mehr für sich selbst. Es ist nicht umsonst eine Kunstform, die für mich von Oskar Werner zur Perfektion gebracht wurde.
Es ist eine Kunst für sich, Gedichte vorzulesen oder vorzutragen. Natürlich darf hier nicht Klaus Kinski fehlen, aber ehrlich gesagt bin ich meiner Kinski-Phase schon lange entwachsen. Zumindest ist es für mich eine schöne Sache, Gedichte noch immer zu lernen und vor allem sie im Kopf zu behalten. Und einfach mal Abends bei nem Drink und ner Kippe Das Lied von Durin zu rezitieren.
Ist es nützlich? Bringt es dir einen guten Job? Nein, natürlich nicht. Aber ist das heute, in der heutigen Welt, denn alles was zählt? Die Welt wird moderner, das heißt nicht daß sie schöner wird. Alles ist so simpel und mit dem Smartphone kann man ja alles googeln, was man gerade braucht. Und in unserem Wahn, daß alles so schick und simpel sein soll, alles nur noch leichte Kost ist, stirb die Kultur und das ‚lebendige‘ Wort einfach mit. Als Restposten der alten Welt, die man endlich, um Himmels Willen, überwinden will und muss. Wie sagte Oscar Wilde? »Heute kennt man von allem den Preis, von nichts den Wert.«
So steht man heute wohl eher auf verlornem Posten, wie ich es meist in meinem Leben bin. Mein Tipp für euch, zum Abschluss. Lest mehr. Keine neuen Bestseller oder diese scheiß Comics. Gute alte Literatur, geht auf’n Flohmarkt, dort gibt’s immer drei, vier Stände mit alten Büchern. Dort fand ich die meisten meiner Bücher. Vielleicht schreib ich mal was über meine ‚Must Read‘-Bücher, falls euch das überhaupt interessiert.
Was bleibt mir da noch zu sagen?
Have you seen Boromir the tall, by moon or by starlight?
Cheers Freunde,
Euer,
J.