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Mein Name ist Layla Abigail, ich bin 25 Jahre alt, 168 cm groß und wiege aktuell 57kg. Ein Satz den ich in den letzten Jahren so oft wiederholte, so oft gesagt habe und für den ich so hart gearbeitet habe, dass dieser Name, Layla Abigail, schon längst an Bedeutung verloren hat und nur noch reine Formsache ist, ohne Belang für mich. Ohne Sinngehalt und tieferem Charakter. Ich stand nackt vor meinem 80 x 200cm großen Spiegel und musterte mich. Ich sah meine Hüftknochen und meine Thigh Gap, auf die ich sehr stolz war. Dieser Spiegel war mein Altar geworden, mein Dreh- und Angelpunkt, alles hing von ihm ab. Gleich daneben stand die Waage, die ich regelmäßig eichen ließ. Ich konnte mir Fehler nicht leisten. Dennoch müsste ich noch mindestens 5kg runterkriegen. Ich bewegte mich unnatürlich vor dem Spiegel, doch natürlich für mich. Musterte diesen Körper um den sich mein ganzes Leben drehte. Von den Augenbrauen ab gewaxt, seidenglatt und ich legte wert darauf. Es war nie die Frage gewesen ob es mir persönlich gefällt, man macht es halt, darum machte ich es auch und unter uns gesprochen spielte es schon lange keine Rolle mehr, was mir gefällt.
Die Grenze zwischen dem was ich mag und dem was ich tue verwischte zu einer grauen Linie, die nicht mehr zu erkennen war. Ich musste gefallen. Das war es worauf es ankam, mein Geschmack und meine Gedanken waren schon längst zu einem Lebensstil geworden, den ich so oft änderte und wechselte, wie ich mir die neusten, angesagtesten Kleider kaufte. Ich nahm einen Schluck von meinem Martini (gemixt mit Gin und sehr trocken, den ich stets mit zwei Oliven garnierte, obwohl ich Oliven gar nicht mochte) und blickte mir selbst dabei in die Augen. Kurz glaubte ich einen Schatten an meiner Pussy zu sehen und panisch griff ich mit meiner freien Hand zwischen meine Beine und musterte mich fluchend erneut. Ich musste es fühlen, denn ich wusste, das Auge kann lügen. Ich fühlte an meinen Lippen keine direkten Stoppeln, aber es war etwas rau. Ich blickte wieder in den Spiegel und war unzufrieden.
Einmal die Woche bin ich beim Waxing, doch es brachte nichts. Ich starrte diesen häßlichen Körper an. Ich hatte heute Mittag einen kleinen Salat, natürlich fairtrade, und mein Bauch, dieser Bauch, von der die ›Modern Style Fashion‹ sagte: »Aphrodite wäre neidisch«, war aufgedunsen und fett geworden. Ich hoffte Tessa, meine Kosmetikerin, konnte mich morgen für einen Nottermin eintragen, ich konnte meinen Körper so nicht lassen. Ich wusste ich würde in kürzester Zeit weitere Stellen finden. Von wegen Waxing hält mehrere Wochen, wer will mich denn so haben? Welcher Fotograf würde mich denn so ablichten? Wie sollte ich mit diesem häßlichen Ding denn einen Job bekommen? Wer wollte denn heutzutage ein Foto von einem Körper der nicht perfekt war? An dem es Haare gab? Etwas derart natürliches war nicht erwünscht. Wobei es mir, um ehrlich zu sein, früher sehr gefallen hat, ein bestimmter Schnitt, eine bestimmte Rasur, aber je älter ich wurde, desto mehr wuchs der Druck, der Drang – Erfolg bekommt man nicht geschenkt, man muss ihn sich verdienen.
Man muss gefallen, ansonsten geht man unter in dieser Welt. Bei einem weiterem Schluck Martini prüfte ich meinen Arsch, während ich ihn in den Spiegel drehte. Mit meiner freien Hand zog ich die Backen auseinander und prüfte ob alles sauber und so war, wie es sein sollte. Bei diesem Anblick fiel mir immer der Anfang von all dem hier ein. Ich erinnerte mich gut daran, so als wäre es erst gestern gewesen. Es war bei einer der ersten Fotosessions meiner Karriere, wie mein hauchdünnes, fast durchsichtiges Höschen zwischen meinen Beinen hing und dieser fette, schmierige Fotograf mich von hinten fickte und mich eigentlich halb vergewaltigte. Wie geil er diesen Arsch fand und wie die ersten Komplimente, unter meinen Tränen, anfingen meine Seele zu nähren.