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Für den alten Mann
†13.06.2018
Die Tür hinter mir krachte donnernd in das Schloss. Ich war im Streß, zündete mir mit zitternden Händen eine Kippe an, stieg in meine verrostete Scheißkarre, warf den Baseballschläger auf den Beifahrersitz und startete betend den Motor. Er sprang an. Tief füllte sich meine Lunge mit dem blauen Rauch, von dem mein Arzt sagte, er würde mich jetzt, mit 46 Jahren, in den nächsten Zwei umbringen. Aber ich versuchte nicht daran zu denken. Zwei Jahre sind eine lange Zeit um einiges gut zumachen. Ich schlug das Lenkrad ein und drehte das Radio auf, es lief ‚In The Summertime‘ von Mungo Jerry. Ich war guter Dinge. Mein Gesicht war zwar bleich, wie die Kreide in der ich stehe, doch ich war nicht sicher, ob es schlimmer werden könnte.
O’Rilly hatte mich vor nicht einmal drei Minuten angerufen und hatte Arbeit für mich. Seit fünf Jahren machte ich diesen Scheiß jetzt schon, kommt davon wenn man einmal einen Gefallen braucht. Doch noch heute, wenn ich das Bild meiner Kleinen sah, war es jede beschissene Nacht wert, die ich jetzt durchleben musste. Dieses pädophile Arschloch hatte das bekommen, was er verdient hatte. Mein Blick fiel instinktiv auf den Schläger neben mir, seitdem war er mein Begleiter, mein bester Freund, auch wenn ich das Blut nicht mehr aus dem Holz bekam (früher ging das noch mit polieren raus), stand jede Delle, jeder Fleck für mein Leben. Es war passend, daß er Lucy hieß, benannt nach meiner Kleinen. Damit hatte alles begonnen. Lucy und die Menschheit.
Ich konnte nicht mehr sagen, wie viele es waren, man erinnert sich, so sagen es die meisten, nur an zwei Menschen. Den Ersten und den Letzten. Die Zahl dazwischen war so unwichtig für mich geworden, wie der Grund meiner Besuche. Ich ging immer gleich an die Sache ran. Wenn das Stichwort ‚Fisch‘ am Handy fiel, gab’s nur eins zu beachten, er musste solange bei Bewusstsein bleiben, damit er wusste, wer mich schickte. Was je nach Situation durchaus nicht so einfach sein konnte. Man musste zum Teil eine halbe Stunde warten, bis er es begriff, bevor man weiter machen konnte. Sollte ich nur schöne Grüße bestellen, so wie heute Nacht, dann war es wesentlich einfacher. Ich war dennoch aufgeregt, meine Hände tippelten zu diesem beschissenen Lied wie blöd auf dem Lenkrad rum. Was für ein schwachsinniges Lied mit diesen Zischlauten, dem dämlichen Gestöhne und Geklimper. Dennoch sang ich wie ein dämliches Schulkind die Zeilen mit. Ich kannte sie schon halb auswendig. „Have a Drink, have a drive, go out and see what you can find.“ Ich nahm diesen Koteletten tragenden Affen beim Wort. Ich hatte meine Drinks, meine Fahrt und ich wusste was ich finden würde. Ich nahm die neunte Straße, raus zu der Kneipe, wo der Kerl sein sollte. Sein Name war Big Ivy und ihn erwarteten Liebesgrüße aus Irland.