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For the one I left behind
Es war Dienstag. Ich kam gerade aus dem Werk und saß wie immer nach meiner Schicht auf dieser kleinen, netten Parkbank. Seit 35 Jahren arbeite ich mich in der Fabrik zu Tode. Es hat mir meinen Rücken ruiniert, meine Gelenke. Arthritis in jedem einzelnen Finger. Ehrliche Arbeit, ehrlicher Lohn. Ich kannte nichts anderes. Aber wenigstens kann ich das Dosenbier noch halten. Immerhin, ein schwacher Trost. Es war ein kleiner netter Park hier. Zwischen den Neubauten und alten Sozialbauten, die jetzt irgendwie ganz angesagt waren. Scheinbar standen die Leute mit Geld auf alte kaputte Sachen – wenn auch mal die Frauen so denken würden, wäre ich ein wenig glücklicher in meinem Leben. Natürlich wurde alles renoviert. Wir hatten hier früher nicht mal einen richtigen Bürgersteig, jetzt könnten darauf zwei Autos fahren. Richtig schöne Platten haben sie da verlegt. Aber auch nur hier. Der Rest der Gegend war der Stadt und den neuen Bewohnern noch immer egal.
Es sei denn, sie suchten Parkplätze. Manchmal frage ich mich, wenn das hier so weiter geht, ob irgendwann ein Parkplatz als Währung akzeptiert werden könnte. Scheiße verdammt, dort drüben bei den Luxusbauten stand früher die Fabrik in der David gearbeitet hat. Heute ist hier auch ein kleiner schöner Park mit einem Spielplatz für die jüngsten Anwohner. Die neuen Anwohner. Der Rasen wird jede Woche gemäht, ein brandneues Piratenschiff steht dort. Schaukeln, Sandkästen. Nicht schlecht was man aus dem Dreck hier rausholen kann. Ich erinnere mich noch ganz gut, am Schluß stand nur noch der 30 Meter hohe Kamin. Das war ein Erlebnis, als sie den wegsprengten. Der letzte Rest der alten Papierfabrik.
Die Chemikalien haben David absolut krank und kaputt gemacht. Er bekommt in der ganzen Stadt nicht einen Job. Keiner will ihn in seinem Zustand nehmen. Er verbringt die halbe Woche bei einem Arzt, wegen der Lunge. Raucht dennoch wie ein Verrückter. Scheiße, ändert ja eh nichts mehr daran. Er war allerdings noch nie normal gewesen, dachte ich mir, als ich ihn kommen sah.
Seine zerzausten Haare, die Hose lethargisch auf halb Acht, ohne Gürtel. In der einen Hand zwei Sixpacks Bier und in der anderen eine Flasche Korn vom Discounter, für sechs Mäuse, oder acht. Scheiße, ich kenn seine Geschichte. Da stand die Fabrik noch, da hat ihn ein betrunkener Arbeiter in eine Ecke gezerrt und misshandelt. Kranke Scheiße. Und er arbeitete dann noch 15 Jahre in dieser Fabrik. Er fand nichts anderes. Er war total hinüber seit ich ihn kenne. Er saß früher immer allein auf dieser Bank und schaute den Kindern zu wie sie spielten. Irgendwann hat er mir mal gesagt, er passt auf sie auf. Oder versucht es. Sie sollen kein Leben haben wie er es hatte.