The Well Regulated Life

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MONTAG

Der Wecker klingelte. Fünf Uhr fünfzehn. Wie jeden Tag. Jeder Tag war ein und das selbe. Aufstehen, Kaffee, Dusche, Auto. Das moderne Leben in einen Kontext gepresst, angepasst, paraphiert, sortiert und abgeheftet. Alles war anpassbar. Leben, Lebensstil. Meine Frau Mary drehte sich noch einmal um. Ich raffte meinen 113 kg schweren Körper nach oben und suchte auf dem Nachttisch nach meinen Zigaretten. Von Mary gab’s einen Fußtritt in meinen Rücken, mit den ersten Worten die sie an diesem Morgen an mich richtete, »Rauch den Scheiß in der Küche!« 

Mit der Zigarette im Mund schlurfte ich in Richtung Küche und knallte hinter mir die Schlafzimmertüre zu, aus welchem ich noch etwas wie ›blöder Wichser‹ hörte. Dreißig Jahre Ehe. Das achte Weltwunder, dass wir noch nicht geschieden sind. Aber das legte sich meist wieder. Wir führten noch nie die Bilderbuchehe, mit Mann, mit Frau, mit Kind, mit Garten und mit Dackel. Aber wir kamen aus. Liebe war es schon lang nicht mehr und der kleine Fick, Freitagabend, auch nicht mehr der Rede wert. Ich saß am Küchentisch, an diesem kleinen weißen, aus Eisen geschmiedeten runden Tisch, der mal auf dem Balkon stand und dem kleinen Klappstuhl, mit diesem hässlichen Kissen. Der Kaffee tropfte durch den Filter und ich rauchte meine Zigarette und es kam mir vor, als würde die Wodkaflasche auf dem Küchentresen mir ein warmes Lächeln schenken, mit ihren weißen, blank polierten Zähnen und ihrer schwarzen Schrift auf dem billigen Etikett. Wenigstens einer, der sich montags freut. Ich trank meinen Kaffee und rauchte meine Zigaretten. Gegen sechs kam Mary in die Küche und bediente sich schweigend am Kaffee. Es gab kein ›guten Morgen‹, kein ›Schatz‹, kein Gespräch. Es gab diese Tage. Während ich meinen Overall anzog, kam Mary kurz in das Schlafzimmer. Erst jetzt fiel mir auf, dass sie nur ein Shirt und ein Höschen trug. Ich sah ihr Katzen-Tattoo, schlecht gestochen, ausgebleicht, das ihren ganzen Oberschenkel zierte, ihre Titten, wie sie unter dem Shirt, ohne BH, auf und ab wippten. Ich sah es. Sie wusste, dass ich es sah. Es machte ihr Spaß, es gab ihr die Genugtuung die sie brauchte. Ich mochte den Anblick. Ich sagte mir immer: So funktioniert eine Ehe. 

»Ich bin heut Abend mit den Mädels einen trinken. Wird spät.« 
»Alright«, war meine kurze und knappe Antwort. Ich hatte meine Uhr im Blick. Halb sieben. Ich musste los. Ich packte mir noch den Kaffee in den alten Thermobecher von einer Handwerksmesse und ging das alte Treppenhaus hinab.